[Briefvorlage für ein indivuelles Schreiben an die Bundesregierung:]

Keine Wirtschaftsdeals ohne Menschenrechte: Forderung nach einem neuen Kurs in der deutschen Iranpolitik

Herr Bundeskanzler Scholz

Frau Bundesaußenministerin Baerbock

Frau Bundesinnenministerin Faeser

Herr Bundeswirtschaftsminister Habeck

An die Mitglieder der Bundesregierung

und des Deutschen Bundestags

[ORT, DATUM]

Keine Wirtschaftsdeals ohne Menschenrechte: Forderung nach einem neuen Kurs in der deutschen Iranpolitik

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, sehr geehrte Frau Bundesaußenministerin Baerbock, sehr geehrte Frau Bundesinnenministerin Faeser, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Habeck, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung und des Deutschen Bundestags,

seit einem Monat kündigt sich im Iran ein Wechsel an. Immer mehr gesellschaftliche Gruppierungen wenden sich in Protesten gegen das Unrechtsregime der Islamischen Republik Irans. Mit großer Brutalität geht dieses gegen die andauernden Proteste vor. Auch im Ausland werden Menschen verfolgt und bedroht.

Für die iranische Bevölkerung ist das brutale Vorgehen kein Grund die Proteste zu stoppen, sondern sie fortzuführen. Längst geht es nicht mehr ausschließlich um den Mord an Jîna Mahsa Amini, die systematische Unterdrückung von Frauen, freie Meinungsäußerung, das Überleben Andersdenkender, Andersgläubiger und Minderheiten, die Wirtschaftslage und ein Ende der Korruption. Es geht um das Ende der Islamischen Republik.

Obwohl Iran eines der rohstoffreichsten Länder der Welt ist, leben Menschen in Armut, während das Regime sich selbst, Krieg und Terror finanziert, so auch durch Drohnen- und Waffenlieferungen an Russland. Die Urananreicherung wurde trotz bisheriger Maßnahmen weitergeführt. Die Islamische Republik stellt eine akute Gefahr für Iraner*innen, die gesamte Region, Israel und Europa dar. Eine Rhetorik des Entgegenkommens und angeblicher Reformen sind Staatspropaganda—sie werden die Proteste nicht stoppen. Auch die Argumentation, ein Sturz des Regimes könne die Region destabilisieren, stützt das Regime, nicht die protestierenden Menschen.

In dieser auch für Europa mitnichten stabilen, sondern gefährlichen Situation sind Protestierende darauf angewiesen, dass demokratische Rechtsstaaten dieses oppressive Regime nicht am Leben erhalten. Auch Deutschland fördert das Vorgehen der Islamischen Republik indirekt durch seine Außen- und Handelspolitik—Iran profitiert u.a. schon seit langem vom „Geldwäscheparadies“ Deutschland. Ein deutsches Unternehmen ist, wie jüngste Recherchen suggerieren, in den Aufbau eines abgeschotteten Internets im Iran verwickelt.

Wir fordern die Bundesregierung daher auf, ihren Kurs radikal zu verändern und insbesondere über neue Wege in der Wirtschaftspolitik nachzudenken. Wenngleich es begrüßenswert ist, dass Sie sich kritisch zur Niederschlagung der Proteste geäußert haben, verwundert, dass Außenministerin Annalena Baerbock die außenpolitischen Möglichkeiten Deutschlands jüngst als „begrenzt“ bezeichnete. Auch die kürzlichen EU-Beschlüsse reichen bei weitem nicht aus. Aus dem Bundeskanzleramt ist indes kaum etwas zu hören. Es gibt noch viel Spielraum.

Die Menschen im Iran sind insbesondere auf Solidarität aus Deutschland angewiesen, Irans wichtigstem europäischen Handelspartner und zentraler Akteur bei den Nuklearverhandlungen. Wir fordern Sie nachdrücklich dazu auf, ihren politischen Handlungsspielraum in seiner ganzen Bandbreite auszuschöpfen und mit aller Entschiedenheit darauf hinzuwirken, dass das Regime die Niederschlagung der Proteste einstellt. Es ist Zeit für eine Außenpolitik, die Wirtschaftsabkommen an Konditionen koppelt, die Menschenrechte an vorderster Stelle thematisiert. Es gibt dazu weitere Möglichkeiten, die von den USA und Kanada bereits eingeleitet wurden, jedoch in Deutschland bisher ungenutzt blieben. Wir wenden uns an Sie, um folgende Maßnahmen zu fordern:

  • Einen sofortigen Stopp bzw. keine Wiederaufnahme der Verhandlungen zum Nuklearabkommen (JCPOA).
  • Die Ausweisung des iranischen Botschafters.
  • Ein Visaentzug und Einreiseverbot für Mitglieder des iranischen Regimes und ihre Familienangehörigen.
  • Gezielte Sanktionen, auch über internationale Organisationen wie die UN, wegen Menschenrechtsverletzungen gegen die gesamte Machtelite, d.h. Regimemitglieder, den Unterdrückungsapparat, die Polizei, die Revolutionsgarden, die Miliz, den Geheimdienst und den Justizapparat sowie das Einfrieren deren Konten in der EU.
  • Einstufung der Revolutionsgarde und Basij als Terrororganisationen. Sanktionen genügen nicht, da sie umgangen werden können.
  • Eine strafrechtliche Verfolgung von Geschäftsbeziehungen, die der Geldwäsche dienen und direkt die Revolutionsgarden und das Regime finanzieren.
  • Handelsabkommen, die dem Regime Einkommen ermöglichen, mit dem Gewalt gegen das eigene Volk und Kriege in der Region finanziert werden, müssen aufgekündigt werden.
  • Distanz der Bundesregierung zu Inhalten, die verdeckte Staatspropaganda enthalten, d.h. die sofortige Beendigung von Beraterverträgen mit regimenahen Personen und die Einstellung der staatlichen Finanzierung regimenaher Think Tanks.
  • Außenposten des iranischen Regimes in Deutschland, zu denen auch das Islamische Zentrum Hamburg gehört, sollten unverzüglich geschlossen und ihre Vertreter ausgewiesen werden.
  • Einen sofortigen Abschiebestopp in den Iran für vor den Repressionen des Regimes Geflüchteten, sowie ein vereinfachtes Asylverfahren für akut Schutzsuchende, insbesondere Dissidenten, Frauenrechtler*innen und Minderheiten. Geschlechtsspezifische und sexuelle Verfolgung sowie jene von Konvertierten muss als Asylgrund anerkannt werden.
  • Eine juristische Ahndung der Menschenrechtsverletzungen Irans vor nationalen sowie internationalen Gerichten und die Forderung, politische Gefangene freizulassen.
  • Eine unabhängige und schnelle Untersuchung des Brands im Evin-Gefängnis und der Situation der dortigen Gefangenen durch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK).
  • Die Unterstützung etablierter und neuerer zivilgesellschaftlicher Organisationen. Sanktionen, die diese und die Zivilbevölkerung schwächen, wie z.B der Swiftausschluß, müssen aufgehoben werden. Auch der Zugang der Menschen im Iran zum Internet muss bei Sanktionsfragen mitberücksichtigt und mit Hard-und Software und von VPN-Strukturen aktiv unterstützt werden.

Die Zeit, in der westliche Staaten glaubten, dass man mit dem Staatsapparat der Islamischen Republik seriös verhandeln kann, ist abgelaufen. Dass das Thema unter anderem in einer EU Sitzung, in der Aktuellen Stunde im Bundestag und in sozialen Medien Raum gefunden hat, ist wichtig. Doch statt mehr Worten muss eine konsequente, fundamental neue Iran-Politik folgen.

Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, das Versprechen einer feministischen und wertegeleiteten Außenpolitik konkret umzusetzen und das Regime, nicht die Menschen Irans zu isolieren. Bitte stehen Sie mit uns fest an der Seite der Protestierenden.

Mit besten Grüßen

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